Jeder, der irgendwann einmal in San Francisco war, kennt die Insel Alcatraz, aber nur wenige haben je etwas vom Agave Trail gehört. Die Agaven – scharfblättrige, stachelbewehrte Sukkulenten, aus denen ein Zuckerersatzstoff und Tequila hergestellt werden können – sind in den 1930ern und 1940ern von den Gefängniswärtern und ihren Familien auf Alcatraz gepflanzt worden. Ihre scharfen, spitzen Blätter haben diesem gottverlassenen Ort eine besondere Schönheit verliehen und gleichzeitig einen Zaun geschaffen, der die Komplizen potentieller Flüchtlinge davon abhalten konnte, mit ihren Booten auf der Insel zu landen. Der gut einen Kilometer lange Agave Trail führt am Fuße eines steilen Hügels entlang, auf dem vier verschiedenen Agavenarten wachsen – und einige haben Blütenstauden, die bis zu 12 Meter in den Himmel ragen.
Alcatraz und das berühmte Gefängnis können Sie an beinahe jedem beliebigen Tag des Jahres besuchen, aber der Agave Trail darf nur von Ende September bis zum 1. Februar begangen werden – was praktischerweise mit dem Zeitraum zusammenfällt, in dem das Wetter in San Francisco besonders klar und nebelfrei ist. Während des restlichen Jahres ist der Pfad zum Schutz der brütenden Vögel geschlossen.
Der Startpunkt des Agave Trail liegt ein Stück südlich des Fähranlegers. Von dort schlängelt sich der von Steinen eingefasste Pfad durch einen Eukalyptushain, bevor er abfällt und ein paar Meter über dem Wassersaum weiterführt. Hier haben Sie einen erstklassigen Blick auf die vorüberfahrenden Boote und die Möwen, die über Ihrem Kopf kreisen. Hin und wieder spülen die Wellen über den Pfad, während sich vor Ihren Augen unvergessliche Aussichten auf die Innenstadt von San Francisco und die Bay Bridge entfalten. Nachdem der Pfad um die Südseite der Insel gebogen ist, passieren Sie das große Schild, das Sie wahrscheinlich schon von der Fähre aus gesehen haben. Es trägt den Hinweis, dass „alle Personen, die die Flucht von Gefangenen unterstützen oder decken, strafrechtlich verfolgt und mit Freiheitsentzug bestraft“ werden.
Bei Ebbe zeigen sich überall am zur Bucht weisenden Ufer die felsigen Gezeitentümpel von Alcatraz. Sie sind eine seltene Erscheinung in der Bucht von San Francicso, denn sie sind aus all dem künstlichen Abraum entstanden, der sich aus den Jahren ergeben hat, in denen auf der Insel gesprengt und gebaut wurde. Unter Ihnen wiegen sich Seeanemonen in der Strömung.
Nach einer Weile führt der Pfad über aus Steinplatten gefertigte Stufen wieder hinauf auf den Paradeplatz der Insel, der in den 1870ern von Militärgefangenen aus solidem Fels erbaut wurde. In früheren Zeiten war dieser Platz von den Häusern umgeben, in denen die Wärter und ihre Familien lebten, aber diese Häuser wurden im Jahre 1971 abgerissen und ihre Überreste verteilen sich jetzt in wildem Durcheinander über die Betonfläche. Heute dienen diese großen Schutthalden als Heimat für Kaninchenkauze, Nachtreiher, Westmöwen, Salamander und Weißfußmäuse (sie sind die einzigen Säugetiere, die auf der Insel leben). Vom Paradeplatz aus haben Sie einen dramatisch-schönen Blick auf die Golden Gate Bridge, Treasure Island, die Bay Bridge und Teile der Marin Headlands. Und im Süden schimmert San Francisco.